Verfahrensablauf

Zuletzt aktualisiert: 08.04.2022 | Autor: Andrea Bauer

Diagnose und Meldepflicht

Ein Versicherter fühlt sich krank und geht zum Arzt / zur Ärztin.

Diese/r diagnostiziert und meldet unverzüglich ab Kenntnis der Umstände (Meldefrist) dem Unfallversicherungsträger den Verdacht auf eine Berufskrankheit (vgl. Muster). Eine besondere Mitwirkung des Versicherten – außer dem Arztbesuch und der daraus resultierenden Datenerfassung – ist nicht erforderlich. Auch ist keine Unterschrift des Versicherten oder seines Arbeitgebers auf dieser Verdachtsanzeige notwendig.

Gleichzeitig verweist der behandelnde Arzt – sofern er nicht als Durchgangsarzt (D-Arzt) fungiert – den Patienten nach den notwendigen Sofortmaßnahmen an den D-Arzt.

Neben dem behandelnden Arzt hat auch der Arbeitgeber eine Meldepflicht. Das Melderecht haben aber auch der Versicherte selbst oder seine Angehörigen sowie die Krankenkassen. Umgekehrt wird der Arbeitgeber automatisch auch durch den Unfallversicherungsträger informiert. Der Versicherte kann diese Meldung nicht verhindern!

  • Anamnese und Fragebogen

    Um einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung festzustellen, wird im Regelfall zunächst die Arbeitsvorgeschichte der Versicherten durch den Unfallversicherungsträger ermittelt (Anamnese). Hierbei wird geprüft, welchen Belastungen und Einwirkungen der Versicherte während des Arbeitslebens ausgesetzt war. Dazu werden

    • Fragebögen an die Versicherten und an die Arbeitgeber ausgereicht und/oder
    • persönliche Befragungen durchgeführt und/oder
    • Untersuchungen am Arbeitsplatz stattfinden und/oder
    • Unterlagen (z. B. über Schadstoffe am Arbeitsplatz) herangezogen und/oder
    • Personen (z. B. betriebsärztlicher Dienst, Betriebsrat, Sicherheitsbeauftragte, Arbeitskollegen) befragt.

    Der Fragebogen sollte so genau und detailliert wie möglich ausgefüllt werden, da er eine wesentliche Grundlage für die medizinische Beurteilung des Ursachenzusammenhangs ist.

  • Begutachtung

    Sofern eine Gefährdung am Arbeitsplatz ermittelt wurde, ist zu klären, ob aus medizinischer Sicht die festgestellte schädigende Einwirkung die Krankheit hervorgerufen hat. Hierzu wird im Allgemeinen die Krankheitsvorgeschichte ermittelt und ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Unfallversicherungsträger muss dem Versicherten mindestens drei Gutachter zur Auswahl stellen.

    Der Versicherte kann auch selbst Gutachter vorschlagen. Allerdings müssen diese entsprechend fachlich qualifiziert sein. Personen, die nicht die erforderliche Eignung besitzen (wie z. B. der Hausarzt), kann der Unfallversicherungsträger als Gutachter ablehnen.

    Grundsätzlich können die Versicherten vom Unfallversicherungsträger eine Kopie des Gutachtens erhalten.

    Vor der abschließenden Entscheidung des Unfallversicherungsträgers sind die zuständigen Gewerbeärzte als Vertreter der staatlichen Arbeitsschutzbehörden zu beteiligen.

  • Entscheidung

    Anschließend entscheidet der Rentenausschuss des Unfallversicherungsträgers darüber, ob die Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt oder abgelehnt wird, und teilt dies dem Versicherten durch schriftlichen Bescheid (inkl. einer Rechtsmittelbelehrung) mit. Dem Ausschuss gehören je ein Mitglied aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer an.

    Bei einem positiven Bescheid wird die Berufskrankheit rückwirkend mit dem Datum der ärztlichen Diagnose (und der damit verbundenen Verdachtsanzeige) anerkannt.

  • Widerspruch

    Gegen die Entscheidung kann innerhalb eines Monats beim Unfallversicherungsträger Widerspruch eingelegt werden. Wird der Widerspruch durch den Unfallversicherungsträger in einem Widerspruchsbescheid (inkl. einer Rechtsmittelbelehrung) zurückgewiesen, steht der Klageweg beim für den Wohnsitz des Versicherten zuständigen Sozialgericht offen.

  • Fristen für das Anerkennungsverfahren

    Es gibt keine gesetzlich geregelte Frist, in der das Anerkennungsverfahren durchlaufen sein muss. Nimmt man aber den gesamten Zeitverlauf zur Grundlage der Einschätzung, sind mindestens drei Jahre realistisch:

    • Verdachtsanzeige durch einen Arzt
    • Berufsgenossenschaft bittet den Versicherten um die "Einwilligung zur Datenerhebung" bei den Ärzten und um Angabe aller Betriebe und Beschreibung der Tätigkeiten (Fragebogen)
    • Gutachten, wobei ein Gutachter bis zu drei Monaten Zeit dafür hat
    • Bescheid (in über 90 % Ablehnung)
    • Widerspruch, ggf. mit Hilfe eines Fachanwalts
    • Ablehnungsbescheid (in über 95 % der Widersprüche)
    • Klage beim Sozialgericht
    • Gericht wird ein Sachverständigen-Gutachten anfordern
    • Gutachter erstellt nach persönlicher Inaugenscheinnahme und Untersuchung des Klägers ein Gutachten und reicht es bei Gericht ein (bis jetzt sind erfahrungsgemäß bereits zwei Jahre ins Land gegangen),
    • sollte das Gutachten zu Gunsten des Patienten ausfallen, wird die Berufsgenossenschaft dagegen Einspruch einlegen und ein weiteres arbeitsmedizinisches Gutachten einfordern
    • Gerichtsverhandlung
    • Urteil
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Von der Diagnose bis zur Anerkennung einer Berufskrankheit ist es ein langer Weg.
Ein Extra-Antrag des Versicherten auf Anerkennung als Berufskrankheit ist nicht notwendig. Dieser „Antrag" kommt durch das konkluente Verhalten (Arztbesuch) sowie die Diagnose des Arztes „automatisch" zustande.
INTERESSENSKONFLIKTE

 Der Autor/die Autorin hat keine Interessenskonflikte angegeben.

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