Psychoonkologie

Zuletzt aktualisiert: 03.04.2024 | Autor: Monika Schmid, Eva Maria Skoda

Psychoonkologie: Einführung

Welche psychischen und sozialen Belastungen können bei einer Krebserkrankung auftreten?

Eine Krebserkrankung verändert das Leben von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen. Die Krankheit und ihre Behandlung können nicht nur körperlich, sondern auch seelisch belasten. Zu den Folgen können auch Probleme in der Familie sowie finanzielle, berufliche und soziale Belastungen gehören, zum Beispiel beruflicher Wiedereinstieg, vorzeitige Rente/Ruhestand oder finanzielle Sorgen. Diese Belastungen können einen psychosozialen Stress verursachen. Dieser kann letztlich die psychische Gesundheit beeinträchtigen und sogar zu psychischen Erkrankungen wie depressiven Störungen, Ängsten oder ähnlichem führen.

Psychosoziale Belastungen betreffen:

  • Stimmung und Gefühle: Sorgen, Ängste und Traurigkeit, aber auch Anspannung und vermehrte Reizbarkeit können Betroffene zeitweilig oder auch länger belasten. Sie zeigen sich nicht immer offen: Symptome einer hohen Belastung in diesem Bereich können zum Beispiel auch Konzentrationsprobleme und Antriebsverlust sein.
  • Familie und freundschaftliche Bindungen: Wie funktioniert das Zusammenleben mit Partnern oder Kindern - gelingt es, miteinander zu sprechen? Verändert die Erkrankung den Kontakt zu Freunden?
  • Spirituelle oder religiöse Anschauungen: Die persönliche Lebenseinstellung hängt vom persönlichen Weltbild ab. Sie ist bei vielen Menschen von Religion und Glaube mitgeprägt. Diese Faktoren können Kraft geben. Die eigene Sicht kann aber auch zu zusätzlicher Belastung führen - zum Beispiel, wenn die Krankheit als Strafe oder als eigenes, ganz persönliches Versagen empfunden wird.
  • Körperliche Veränderungen: Hierzu gehören Aspekte wie Schlaflosigkeit, Schmerzen, Übelkeit und Erschöpfung. Gewichtszu- und abnahme, Veränderung der Libido.
  • Veränderungen des Aussehens: Sie können etwa durch Haarausfall oder Hautausschlag zustande kommen. Nicht zuletzt können auch Operationen zu deutlichen Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes führen.
  • Beeinträchtigungen der Arbeits- und Leistungsfähigkeit: Wer nicht arbeiten kann, dem fehlt die Möglichkeit, im Beruf Zufriedenheit und Bestätigung zu finden. Auswirkungen auf die finanzielle Lage können auftreten und belasten. Auch krankheitsbedingte Umstellungen von gewohnten Alltagsaktivitäten oder Schwierigkeiten bei der Betreuung jüngerer Kinder können Belastungen darstellen.


Abbildung 1: Psychosoziale Belastungen bei Krebspatienten

  • Ziele der Psychoonkologie

    Die Psychoonkologie hilft Patientinnen und Patienten dabei, mit den vielfältigen Folgen und den daraus resultierenden psychosozialen Belastungen von Krebs besser umzugehen. Es geht vor allem darum, die Lebensqualität der erkrankten Menschen und ihrer Angehörigen zu erhalten und zu erhöhen, sowie psychischen Erkrankungen vorzubeugen bzw. diese zu behandeln.

    Im Einzelnen sind die Ziele:

    • Patienten, Patientinnen und Angehörige darin zu unterstützen, die psychischen und körperlichen Belastungen durch die Krebserkrankung zu verarbeiten.
    • die psychische Gesundheit der Erkrankten und Angehörigen zu verbessern.
    • Begleit- und Folgeprobleme, die während und durch die Diagnostik und Therapie entstehen, zu verbessern.
    • die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten (Ressourcen) der Betroffenen zu stärken.
    • die Teilnahme am normalen Leben zu ermöglichen.
    • das Auftreten von psychischen Erkrankungen vorzubeugen bzw. diese zu behandeln.

    Psychosoziale Belastung

    Sind alle Betroffenen psychosozial belastet?

    Wie ein Mensch auf die Belastungen durch Krebs reagieren wird, lässt sich kaum vorhersagen. Menschen verhalten sich selbst unter vergleichbaren Umständen unterschiedlich. Das bisherige Leben prägt: Dazu gehören zum Beispiel Erfahrungen, die man in der Vergangenheit mit der Bewältigung von Krisen gemacht hat. Fachleute gehen aber davon aus, dass außerdem die Tumorart wie auch die Schwere der Erkrankung das Risiko für seelische Probleme bei Krebspatienten und -patientinnen beeinflussen. Die psychische Situation wird zudem von Krankheitsfolgen und Nebenwirkungen der Therapie mitbestimmt. Dazu zählen beispielsweise Schmerzen, Übelkeit oder Erschöpfung. Bei Patienten, die mittels Immuntherapie behandelt werden, können Beschwerden durch überschießende Immunreaktionen, wie Fieber, Ausschläge und Juckreiz an der Haut, aber auch Entzündungen des Darms, der Leber, der Nieren, der Lunge und der hormonbildenden Organe auftreten. Sie treten aber längst nicht bei allen Patientinnen und Patienten auf.


    Abbildung 2: Psychosoziales Distresskontinuum

  • Bin ich psychisch krank?

    Nicht jede oder jeder benötigt eine psychoonkologische Unterstützung. Wenn Patientinnen und Patienten und deren Angehörige solch einer professionellen Unterstützung skeptisch gegenüberstehen, muss diese nicht in Anspruch genommen werden. Da auch eine Krebserkrankung verschiedene Krankheitsphasen hat, kann es darüber hinaus sein, dass eine Unterstützung zu einem späteren Zeitpunkt nötig wird.

    Wenn allerdings für Sie als Betroffene oder als Angehörige klar wird, dass Sie anfangen sich zunehmend zurückzuziehen, oder dass große Niedergeschlagenheit oder starke Ängste auftreten, so ist es in der Regel nicht möglich, dass sich Betroffene "einfach mal zusammenreißen". Dann kann eine psychoonkologische Unterstützung für den ein oder anderen Erleichterung verschaffen. Manche Patientinnen oder Patienten befürchten vielleicht für psychisch krank oder „verrückt" gehalten zu werden, wenn sie psychoonkologische Angebote wahrnehmen. Aber bedenken Sie: Eine Krebserkrankung stellt eine Ausnahmesituation dar. Sie stellt Betroffene und Angehörige vor große Anforderungen. Wer feststellt, dass er Unterstützung braucht, ist nicht "verrückt" oder psychisch krank. Im Gegenteil: Er handelt sich selbst gegenüber verantwortungsvoll und fürsorglich. Viele Betroffene erleben im Rahmen einer Krebserkrankung psychischen Stress und sogar psychische Erkrankungen. Wenn Sie solche Symptome bei sich oder Angehörigen bemerken, dann ist dies kein „Versagen" oder eine Ausnahme, sondern ein häufiges Problem. Ziel einer psychoonkologischen Unterstützung ist vor allem der langfristige Gewinn an Lebensqualität und die Verhinderung einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung.

    Eine psychoonkologische Unterstützung kann von einer einmaligen Krisenintervention bei der Diagnosemitteilung über eine Begleitung durch die Therapie der Krebserkrankung bis hin zur ambulanten psychoonkologischen Unterstützung in der Nachsorge reichen. Viele Patientinnen, Patienten und Angehörige erleben schon nach wenigen Sitzungen einen Zuwachs an Bewältigungsmöglichkeiten und Lebensqualität.

  • Psychosoziale Belastung für PartnerInnen und Angehörige

    Die Diagnose Krebs bedeutet auch für Angehörige eine große emotionale und organisatorische Herausforderung. Sie möchten vor allem für ihr erkranktes Familienmitglied, ihren Partner oder ihre Partnerin, ihren Freund oder Ihre Freundin eine Stütze sein. Um ihre erkrankten Angehörigen nicht zu belasten, sprechen sie vielleicht nicht über Ihre Gefühle und Ängste. Die Mehrbelastung im Alltag bringt viele an ihre Grenzen. Angehörige der Erkrankten oder andere nahestehende Menschen müssen jedoch lernen, ihre Kräfte realistisch einzuschätzen und sich nicht zu überfordern. Dazu zählt auch, sich persönliche Auszeiten zu nehmen. Nur so können Angehörige auf Dauer eine wirkliche Stütze sein. In dieser Situation ist die bestmögliche Aktivierung der eigenen Bewältigungsmöglichkeiten gefordert. Auch Sie können psychoonkologische Unterstützung in Anspruch nehmen, zum Beispiel in Einzelsitzungen oder in Gruppenangeboten speziell für Angehörige.

    Diese Themen können in einer Einzel- oder Gruppentherapie besprochen werden

    • Stressbewältigung und Selbstfürsorge
    • Kommunikation mit dem Partner oder der Partnerin und der Familie
    • Umgang mit Belastungen und Schuldgefühlen
    • Umgang mit dem professionellen medizinischen System
    • Kindern die Situation erklären können
    • Medizinisches Fachpersonal verstehen können
    • Kritik äußern und mit den Behandelnden reden können
    • Mit dem Rollentausch innerhalb der Familie umgehen können

    Psychosoziale Unterstützungsangebote (alltag-mit-hautkrebs/Psychoonkologie/Unterstuetzung)

    Bei psychosozialen Belastungen und Stress infolge von Krebs gibt es eine Vielzahl von Hilfsangeboten und Verfahren. Die Unterstützungsangebote reichen von reinen Informationsgesprächen und Diagnostik über Beratung bis hin zur Psychotherapie. Welche genau in Frage kommen, hängt vor allem von den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen der Krebspatientinnen und Krebspatienten ab.

    Bei der Bewältigung einer Krebserkrankung können verschiedene Verfahren und Techniken zur Entspannung helfen. Außerdem gibt es für die Betroffenen gezielte Angebote (Schulungen, Patientenseminare), in denen sie krankheitsspezifisches Wissen vermittelt bekommen und Anregungen zur Krankheitsverarbeitung erhalten. In psychoonkologischen Einzel-, Paar- oder Gruppengesprächen besteht die Möglichkeit, die unterschiedlichsten Probleme, die eine Krebserkrankung mit sich bringen kann, anzusprechen und zu bearbeiten. Eine psychosoziale Beratung bietet Hilfestellung bei psychosozialen Belastungen und sozialrechtlichen Anliegen. Auch künstlerische Therapien, Ergotherapie sowie Physio- und Bewegungstherapie können manchen Menschen helfen. Löst die Krebserkrankung eine manifeste psychische Erkrankung wie eine Depression aus, ist es möglich, eine reguläre ambulante, teilstationäre oder stationäre Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus können Ärztinnen und Ärzte auch Medikamente gegen depressive Symptome, Ängste oder Schlafstörungen verschreiben, sogenannte Psychopharmaka.

  • Psychoonkologische Angebote für Familien

    Krankheit betrifft nicht nur den erkrankten Menschen. Sie verändert die gesamte Familiensituation sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Die ganze Familie steht vor vielen neuen Herausforderungen. Oft belasten Sorgen und Fragen das Familienleben. Die Belastung kann sich in Überforderung, Niedergeschlagenheit oder Angst ausdrücken. Es kann schwer sein, sich an die neue Situation anzupassen. Jedes Familienmitglied geht unterschiedlich mit der Belastung um und der Alltag gerät vielleicht aus dem Gleichgewicht. Dies kann zu Konflikten und Distanz in der Familie führen. In diesen Fällen kann es sein, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene Rat und Unterstützung benötigen, um wieder Sicherheit, Struktur und ein stützendes Miteinander in der Familie zu finden. Psychoonkologische Unterstützung kann Familien Einzel-, Paar- oder Familiengespräche, auch mit den Kindern anbieten. Psychoonkologie kann die Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten der gesamten Familie stärken. Im Gespräch ist es möglich, offen und ehrlich über Unsicherheiten, Gefühle und Gedanken zu sprechen. Weitere Themen des Gesprächs können sein:

    • Veränderungen oder Schwierigkeiten in der Kommunikation
    • Ängste und Sorgen klären
    • Wahrnehmung unterschiedlicher Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder
    • Orientierung geben und Entlastung schaffen
    • Unterstützung bei Erziehungsfragen
    • Neue Lösungsansätze erarbeiten

    Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche

    Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, betrifft es auch die Kinder in der Familie. Die neue Situation kann für alle in der Familie bedrohlich und mit vielen Ängsten, Sorgen und Fragen verbunden sein. Jugendliche erleben oft ein besonderes Dilemma: Einerseits sind sie dabei, sich von der Familie zu lösen und ihre Selbständigkeit zu entwickeln. Andererseits haben sie aufgrund der neuen Situation in der Familie ein größeres Bedürfnis nach Kontakt, Nähe und Sicherheit. Auf den ersten Blick schaffen es Jugendliche gut, mit der neuen Situation umzugehen. Tatsächlich fühlen sie sich oft mit ihren Ängsten, Gedanken und Fragen alleine gelassen. Diese und viele andere Fragen drängen sich auf und sorgen vielleicht für Unsicherheit und Schweigen in der Familie:

    • Wie bekomme ich meinen Alltag weiterhin gut in den Griff?
    • Wer hört mir zu?
    • Wie gehe ich mit der Sprachlosigkeit meiner Freundinnen und Freunde um?
    • Darf ich noch Spaß haben und meine Freundinnen und Freunde treffen?
    • Was mache ich mit meiner Angst und Wut?
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Ziel der Psychoonkologie ist es, im Umgang mit den Folgen der Krebserkrankung und den resultierenden psychosozialen Belastungen zu unterstützen.
Wer unter psychosozialen Belastungen im Rahmen der Krebserkrankung leidet, hängt von vielen Faktoren (eigene Biografie, soziale Situation etc.) ab. Betroffene sind unterschiedlich belastet.
Die Dauer einer psychoonkologischen Unterstützung ist individuell und abhängig von den Bedürfnissen und Wünschen der Betroffenen.
Es gibt ein gestuftes psychoonkologisches Unterstützungsangebot je nach den Bedürfnissen der Erkrankten und Angehörigen.

Abbildung 3: Gestuftes psychoonkologisches Versorgungskonzept

  • REFERENZEN
    • [1] Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten Version 1.1 – Januar 2014 AWMF-Registernummer: 032/051OL
    • [2] Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Patientenleitlinie: Psychosoziale Unterstützung für Krebspatienten und Angehörige (Februar 2016)
    • [3] Mehnert A, Lehmann-Laue A. Psychoonkologie. Psychother Psych Med 2019; 69: 141–156
INTERESSENSKONFLIKTE

 Der Autor/die Autorin hat keine Interessenskonflikte angegeben.

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