Placeboforschung - Open-Label-Placebos

Zuletzt aktualisiert: 06.03.2025 | Autor: Ulrike Bingel

Offen kommunizierte Placebogaben wirken auch

In der alltäglichen Praxis sind Behandlungen mit Placebos nicht angezeigt, denn hier besteht ein Dilemma, das ethisch und juristisch schwer zu vertreten ist. Wir würden Patienten im Unklaren über die Placebo-Behandlung lassen und z. B. einem schmerzgeplagten Patienten nach einer Operation nur eine Kochsalzlösung verabreichen anstatt eines Schmerzmittels. Was geschieht aber, wenn man Placebos offen verabreicht, also Patientinnen und Patienten darüber informiert, dass sie ein Mittel ohne Wirkstoff erhalten? Bislang glaubte man, dass ein Placebo nur wirken kann, wenn die Behandelten überzeugt sind, das echte Medikament bekommen zu haben.

Aber: Placebos wirken auch dann, wenn Patientinnen und Patienten wissen, dass sie ein Medikament ohne Wirkstoff erhalten. Das wissen wir mittlerweile aus vielen, gut kontrollierten klinischen Studien. Das Bemerkenswerte: In diesen Studien sind alle Teilnehmenden über die Natur der wirkstofffreien Kapseln informiert. Es ist eine offen kommunizierte und informierte Placebogabe. In diesen sogenannten Open-Label-Placebo-Studien (OLP-Studien) besserten sich zum Beispiel die Schmerzen von Rückenschmerz-, Migräne- und Reizdarmpatienten sowie beim chronischen Fatigue-Syndrom, bei depressiver Verstimmung und bei allergischem Schnupfen deutlich, im Vergleich zu einer Gruppe von Patienten, die keine OLPs, sondern nur ihre Standardbehandlung (sog. Treatment as usual – kurz TAU) erhält.

Eine Open-Label-Placebo-Studie am Universitätsklinikum in Essen mit 122 Patienten, die unter chronischen Rückenschmerzen litten, bestätigte 2019 die Hypothese, dass OLPs zusätzlich zu der üblichen Behandlung deren therapeutischen Effekt verbessern können. Patienten erhielten über drei Wochen zusätzlich zum Medikament offen gegeben Placebos. Sowohl der Schmerz als auch die schmerzbedingte funktionelle Beeinträchtigung waren in der OLP-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe gesunken, auch die Stimmung war am Ende der Studie verbessert. Die objektive Beweglichkeit der Wirbelsäule war hingegen nicht verändert. Dieser Befund ist auch wichtig, um Chancen und mögliche Grenzen des Potentials von OLPs abzuschätzen.

Hilfreich für den Effekt ist es aber, wenn die Patientinnen und Patienten über die positiven Effekte von Placebos informiert sind und den Placeboeffekt grundsätzlich positiv beurteilen. Auch hier ist also die Kommunikation mit dem Patienten und der Patientin ein wichtiger Faktor. Allerdings: Welche Mechanismen genau dem Open-Label-Placeboeffekt zugrunde liegen, muss erst noch geklärt werden.

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Man kann objektiv messen, dass durch negative Erwartungen, Ängste und Sorgen körperliche Prozesse ausgelöst werden.

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In der klinischen Praxis werden Noceboeffekte oft durch das Lesen des für Laien meist schwer verständlichen Beipackzettels ausgelöst, aber auch durch Vorinformationen aus den Medien.
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