Placeboforschung - Erwartungen
Wie entstehen Erwartungen?
Erwartungen entstehen auf vielfältige Weise und sind besonders durch Vorinformationen geprägt, die Patienten erhalten oder selbst machen: über Freunde, Mitpatienten, das Internet oder aber durch ärztliches und anderes medizinisches Personal. Auch das Beobachten von Therapieerfolg oder -misserfolg bei anderen Patienten kann die eigene Erwartung und auch das eigene Behandlungsergebnis beeinflussen. Ebenso spielt der ganze Behandlungskontext eine Rolle: Wie sieht es aus in der Praxis? Wie riecht es? Welche Behandlung bekomme ich? Wieviel merke ich davon? So haben zum Beispiel Injektionen höhere Placeboeffekte als Placebotabletten. Und ein Placebo mit Geschmack wirkt besser als eins ohne. Hinzu kommt: Welche Erfahrungen habe ich in der Vergangenheit mit einer Behandlung oder einem Behandler gemacht? Auch solche Lernerfahrungen prägen unsere Erwartungen an zukünftige Therapien. Erwartungen der Patientinnen und Patienten an den Besuch in der Praxis sind oftmals komplex.
Sie basieren auf allen Arten von Vorinformationen, die man zur Erkrankung oder Behandlung erhält. Dazu gehören:
- Die Informationen, die wir von Ärztinnen und Ärzten und anderen Behandlern im Rahmen der Aufklärung über unsere Erkrankung und Behandlung erhalten.
- Die Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit mit Ärztinnen und Ärzten gemacht haben, die generelle Einstellung zu medizinischen Prozeduren und die individuelle Persönlichkeit.
- Die Erfahrungen und Erzählungen von Familienmitgliedern oder guten Freunden. Sie spielen eine Rolle für unsere Erwartungshaltung vor dem Besuch in der Praxis oder Klinik.
- Die Informationen, die wir in den Medien über Symptome, Therapien und Nebenwirkungen hören oder lesen.
Unser Gehirn verarbeitet all diese Informationen und verknüpft sie mit unseren Erinnerungen. Da trägt zum Beispiel die Ärztin die gleiche auffällige rote Brille wie die Ärztin vor zwei Jahren in der Notaufnahme, als die Rückenschmerzen unerträglich wurden. Hat sie uns geholfen und wir haben sie als sympathisch in Erinnerung, ist es gut möglich, dass wir auch der neuen Ärztin offen und positiv gegenüberstehen. Von solchen – eigentlich unerheblichen – Details kann unsere Erwartung manchmal gesteuert sein, ohne dass wir das bewusst wahrnehmen.
Manche Erwartungen sind uns kaum bewusst. Wir können selten konkret begründen, warum uns z.B. ein Therapeut spontan weniger vertrauenswürdig erscheint. Wir realisieren nicht, dass es vielleicht nur der Dialekt ist, den wir mit unangenehmen Erinnerungen verknüpfen, die absolut gar nichts mit den aktuellen medizinischen Fragestellungen zu tun haben. Es ist aber auch möglich, dass wir erwartet haben, sehr konkrete Resultate in der Konsultation zu hören. Und wenn dies der Arzt oder die Ärztin nicht leisten kann – aus welchen Gründen auch immer –, sind wir enttäuscht. Und das ist unabhängig davon, wie berechtigt unsere Erwartungshaltung war.
Das Wissen über eigene Erwartungen und die Arzt-Patienten-Kommunikation kann helfen, negative Erwartungseffekte zu mindern und positive Erwartungseffekte zu fördern.
- REFERENZEN
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- Bingel U, Schedlowski M, Kessler H (2019) Placebo 2.0: Die Macht positiver Erwartung: Die Macht der Erwartung. Rüffer&Rub Sachbuchverlag
- Schedlowski, M Enck, P Rief, W, & Bingel U (2015) Neuro-Bio-Behavioral Mechanisms of Placebo and Nocebo Responses: Implications for Clinical Trials and Clinical Practice. Pharmacological Reviews, 67(3), 697–730. doi: 10.1124/pr.114.009423
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- Bingel U, Wanigasekera V, Wiech K, Ni Mhuircheartaigh R, Lee MC, Ploner M, et al. (2011) The effect of treatment expectation on drug efficacy: Imaging the analgesic benefit of the opioid remifentanil. Science Translational Medicine 3: 70ra14. doi: 10.1126/scitranslmed.3001244
- Weitere Studien unter:
Der Autor/die Autorin hat keine Interessenskonflikte angegeben.