Diagnostik und Behandlung von leptomeningealen Metastasen
Einführung
Krebserkrankungen wie Lungenkrebs, Brustkrebs und bösartige Erkrankungen des blutbildenden sowie des lymphatischen Systems haben ein hohes Risiko, Absiedlungen (Metastasen) in das Gehirn zu versenden. Dieses Risiko betrifft auch das maligne Melanom im fortgeschrittenen Stadium.
In diesem Kapitel soll es um eine spezielle Untergruppe der Hirnmetastasen gehen, nämlich um eine Metastasierung entlang der Gehirnhäute (= leptomeningeale Metastasierung). Diese Form der Ausbreitung stellt weiterhin eine große Herausforderung, sowohl im Erkennen (= Diagnosestellung) als auch im Behandeln (= Therapie), dar.
Trotz der fortlaufenden Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten ist die Prognose dieser Metastasierungsform bisher als eher ungünstig zu betrachten.
- Begriffserklärung
Unser Gehirn und Rückenmark werden von drei bindegewebigen Hüllen umgeben. Diese bezeichnet man als Gehirnhäute, oder fachsprachlich Meningen.
Ganz außen liegt die harte Hirnhaut (Dura mater), gefolgt von der Spinngewebshaut (Arachnoidea) sowie der zarten Hirnhaut (Pia mater) ganz innen. Die beiden inneren Hirnhäute, also Spinngewebshaut und zarte Hirnhaut, werden auch als weiche Hirnhaut (Leptomeninx) zusammengefasst.
Kommt es zu einer Absiedlung von Tumorzellen in den Bereich der weichen Hirnhäute, so bezeichnet man diese Metastasierungsform als leptomeningeale Ausbreitung (Leptomeninx à leptomeningeal).
- Häufigkeit
Die Häufigkeit von leptomeningealen Metastasen ist schwer zu bestimmen, da es keine spezifischen Untersuchungen gibt und bestehende Studien oft uneinheitliche Kriterien verwenden. Schätzungen zufolge treten leptomeningeale Metastasen bei fortgeschrittenem Lungenkrebs in 9%–25%, bei Brustkrebs in 5%–20% und bei Melanomen in 6%–18% auf.
Die Zahlen neu diagnostizierter leptomeningealer Metastasen steigen insgesamt an. Grund hierfür ist möglicherweise, dass es zunehmend besser gelingt, Patienten mit bösartigen Erkrankungen zu behandeln. Hierdurch sind leptomeningeale Metastasen häufiger zu beobachten, da sie ein Zeichen einer fortgeschrittenen Erkrankung sind.
- Symptome
Die meisten Patienten mit leptomeningealen Metastasen entwickeln Symptome.
Diese sind allerdings davon abhängig, an welcher Stelle der Leptomeninx eine Ausbreitung stattgefunden hat. Somit sind sie sehr unterschiedlich: Zu den typischen Symptomen gehören Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Schläfrigkeit und Verwirrtheit.
Hat eine Ausbreitung im Bereich des Rückenmarks stattgefunden, können ebenfalls lokalisierte Schmerzen und Gefühlsverluste, Schwäche in den Armen oder Beinen beziehungsweise Darm- oder Blasenfunktionsstörungen auftreten.
Wichtig ist somit, bei Patienten mit bösartiger Grunderkrankung und Vorhandensein oben genannter Beschwerden an die Möglichkeit einer leptomeningealen Metastasierung zu denken und rasch weitere Schritte (siehe Diagnosestellung) einzuleiten.
- Diagnose
Wenn der Verdacht auf eine Ausbreitung in den leptomeningealen Raum besteht, sollten eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns, ein MRT des Rückenmarks, eine Ganzkörper-Computertomographie und eine neurologische Untersuchung erfolgen. Zudem ist unbedingt auch eine Lumbalpunktion, also die Entnahme von Nervenwasser (Liquor) im Bereich der Lendenwirbelsäule, erforderlich. Bei nicht eindeutigem Liquorbefund und weiterhin bestehendem Verdacht auf eine leptomeningeale Absiedlung, kann eine erneute Lumbalpunktion hilfreich sein.
Zusammengefasst muss allerdings gesagt werden, dass sich eine eindeutige Diagnosestellung oftmals als schwierig erweist.
Therapie
Die Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten hat die Behandlung fortgeschrittener Melanome grundlegend revolutioniert. Im Vergleich dazu gibt es für Patienten mit leptomeningealen Metastasen weiterhin wenig effektive Behandlungsmöglichkeiten. Das bedeutet, dass ein Studieneinschluss, sofern vorhanden und möglich, eine der wichtigsten Behandlungsmaßnahmen darstellt.
Abseits einer Studientherapie gibt es aktuell weitere Behandlungsmöglichkeiten. Diese werden in den folgenden Unterkapiteln erläutert.
- Systemtherapie
Als Systemtherapie bezeichnet man eine Therapie, welche im gesamten Körper wirken soll.
Weder eine Chemotherapie noch eine Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren konnten in Studien deutliche Erfolge zeigen. Nichtsdestotrotz muss mitunter auf diese Therapieformen zurückgegriffen werden, falls weitere Möglichkeiten fehlen. Eine zielgerichtete Therapie mit BRAF-/MEK-Inhibitoren, im Falle einer vorhandenen BRAF-Mutation, konnte demgegenüber ermutigende Ergebnisse liefern. Dies traf insbesondere dann zu, wenn diese Therapie nach der Diagnosestellung einer leptomeningealen Absiedlung begonnen wurde.
- Intrathekale Therapie
Hierbei handelt es sich um einen Therapieansatz, bei welchem die Medikamente nicht als Tablette oder über die Vene als Infusion gegeben werden: Stattdessen werden die Medikamente direkt in den Liquorraum (= intrathekal) eingeführt. Das ist der Raum, in welchem sich das Nervenwasser befindet. Der Liquorraum steht in engstem Kontakt zur Leptomeninx. Deswegen erzielt man mit der intrathekalen Anwendung, dass die Medikamente besonders nahe an die Tumorabsiedlungen gebracht werden können. Insbesondere die Verwendung von Immuncheckpoint-Inhibitoren konnte zuletzt ermutigende Ergebnisse liefern. Zum aktuellen Zeitpunkt handelt es sich hierbei allerdings um eine Therapieform, welche lediglich im Rahmen von Studien durchgeführt wird. Diese Studien finden vor allem in den USA statt. In Deutschland steht diesbezüglich eine Studie zu Verfügung. Außerdem gibt es eine Schweizer Studie, die eine Therapie mit kombinierten Immuncheckpoint-Inhibitoren (Ipilimumab und Nivolumab) testet.
- Strahlentherapie
Die Durchführung einer Strahlentherapie ist in der Regel die schnellste Methode zur Behandlung von Symptomen, welche im Rahmen einer leptomeningealen Metastasierung auftreten können. Es wird entweder eine Bestrahlung des gesamten Gehirns (= Ganzhirn-Bestrahlung) oder eine gezielte Bestrahlungen, beispielsweise bei lokalisiertem Befall des Rückenmarks, durchgeführt.
Ob eine Kombination aus Strahlentherapie und Systemtherapie zu einem Überlebensvorteil führen kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht geklärt. Dies muss erst in weiteren Studien erforscht werden.
- Chirurgische Ansätze
Erwachsene Menschen haben etwa 120 bis 200 ml Liquor. Der Körper produziert täglich ca. 500 bis 700 ml Liquor. Also muss der Körper Liquor aus dem Liquorraum wieder aufnehmen (= Resorption), um das Volumen konstant zu halten. Eine leptomeningeale Metastasierung kann dazu führen, dass diese Resorption gestört ist. Dadurch kann das Volumen des Liquors ansteigen und ein „Wasserkopf“ (= Hydrozephalus) kann entstehen. Die erforderliche Liquorableitung kann chirurgisch ersetzt werden, in dem eine Ableitung (= Shunt) eingelegt wird. Das bedeutet, dass der Chirurg einen Schlauch in die Schädeldecke einführt. Dieser endet über Hals und Brust in der Bauchhöhle. Er lässt dort überschüssigen Liquor abfließen.
Der Autor/die Autorin hat keine Interessenskonflikte angegeben.