NVKH stellt Falschaussagen zu Hautkrebs im MDR-Gesundheitspodcast richtig
Die Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs (NVKH e.V.) ist ein Verein, in dem alle bedeutenden Fachgesellschaften und Patientenorganisationen im Bereich Hautkrebs mit vereinten Kräften gegen Hautkrebs kämpfen und Initiator unseres Infoportals.
So war für Astrid Doppler von der Patientenorganisation Melanom Info Deutschland sofort klar, an wen sie sich wenden könnte, als die Podcast Folge von einem Mitglied in der Online Gruppe der Organisation geteilt wurde. „Mich hat das lange beschäftigt und ich habe mich gefragt, ob man dagegen irgendetwas tun kann.“ , sagt Sabrina B., als sie den Beitrag des MDR mit Prof. Kekulé als Gesundheits-Experten teilt. Besonders Aussagen, dass man zur Urlaubsvorbereitung Solarium und Sonne zum Vorbräunen nutzen solle und dass Melanome so gut wie nie im Gesicht entstehen würden, stoßen der jungen Frau besonders auf, die selbst ein Melanom im Gesicht hatte.
„In der Podcast Folge äußert Prof. Kekulé Empfehlungen, die bei vielen Patienten zu Unverständnis und Ärger führten, daher beschlossen wir, dass wir uns der Sache annehmen müssen, um die diversen Falschaussagen von echten Hautkrebs-Experten richtig stellen zu lassen. Als Mitglied der NVKH war es naheliegend, sich an den Verein zu wenden.“, sagt Frau Doppler.
Prof. Dr. Breitbart, stellvertretender Vorsitzender der NVKH und der führende Experte in Sachen Prävention von Hautkrebs, nahm sich der Sache an und korrigierte die Aussagen des Mikrobiologen und Virologen Professor Alexander Kekulé.
Sabrina B. freut sich über die Stellungnahme der NVKH: „Da hab ich was losgetreten. Ich finde es toll, dass dagegen was unternommen wird!“
Lesen Sie hier die ausführliche Richtigstellung der NVKH:
Bitte um Richtigstellung: Beantwortung einer Hörerfrage zum Thema Solarium und Hautkrebsrisiko im Format Kekulés Gesundheits-Podcast
Sehr geehrtes Redaktionsteam,
in der 29. Folge des Nachrichtenformats: Kekulés Gesundheits-Podcast geht der medizinische Mikrobi-ologe und Virologe Professor Alexander Kekulé sehr ausführlich auf eine Hörerfrage zum Einfluss von regelmäßigen Besuchen eines Solariums auf die Gefahr von Hautkrebs ein.
Die zentralen Botschaften, die seine Ausführungen transportieren sind:
- In Solariengeräten wird keine UV-B Strahlung emittiert und daher ist das Risiko für Hautkrebs, insbesondere für das maligne Melanom, deutlich geringer.
- Das Vorbräunen durch die Nutzung von Solariengeräten in Kombination mit Sonnenbädern ist - mit Ziel einen körpereignen Schutz vor UV-Strahlung aufzubauen - zu empfehlen.
Die erste Botschaft ist nicht korrekt und die zweite Botschaft widerspricht sämtlichen Empfehlungen von Expertinnen und Experten für Hautkrebs.
Nicht einzig diese Botschaften sind zu kritisieren, sondern auch die Argumentationskette dahinter.
Dies möchten wir im Folgenden näher ausführen.
Herr Kekulé steigt ein mit der Bedeutsamkeit der UV-B Strahlung, welche direkt DNA-Schäden zur Folge habe und schwere Sonnenbrände verursache.
Zunächst einmal sorgt nicht nur die UV-B Strahlung für DNA-Schäden, sondern auch die UV-A Strahlung. Auch an der Entstehung von Sonnenbränden sind sowohl UV-B- als auch UV-A Strahlung beteiligt, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Trifft also UV-Strahlung (UV-A und UV-B Strahlung) auf die Haut, schädigt sie binnen Sekunden Hautzellen und ihr Erbgut. Lange Zeit verdächtigte man hauptsächlich die kurzwelligeren, energiereicheren UV-B Strahlen als alleinigen Verursacher für Hautkrebs. Dies ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht mehr haltbar. Sowohl UV-B als auch UV-A bewirken Veränderungen in der Erbsubstanz der Zelle. Sie „nutzen“ unterschiedliche Mechanismen, das Resultat heißt aber immer: eine Erhöhung des Hautkrebsrisikos (Beani 2014). Nun kommt ein ausgeklügelter körpereigener Reparaturmechanismus in Gang: die Schäden in der Erbsubstanz werden beseitigt oder die Zellen werden bei zu hohem Schädigungsgrad vom Organismus abgestoßen. So schützt sich der Körper meist auch vor Zellen, aus denen Krebs entstehen könnte. Durch intensive und dauerhafte UV-Bestrahlung können aber geschädigte Zellen zurückbleiben, aus denen über mehrere Jahrzehnte Hautkrebs entstehen kann. Wichtig ist, dass bei jeder UV-Bestrahlung die Hautzellen bereits geschädigt werden, auch wenn noch keine entzündliche Hautrötung, ein Erythem- im Volksmund auch Sonnenbrand genannt- erzeugt wird. Die Vermeidung des Sonnenbrands an sich ist also keine ausreichende Strategie, um sich vor der Entstehung von Hautkrebs zu schützen, sondern die Vermeidung von DNA-Schäden.
Nun führt Herr Kekulé aus, dass heutige Solarien kein UV-B mehr haben und darum grundsätzlich ein niedrigeres Risiko für Hautkrebs bestehe, bezogen auf das maligne Melanom.
Die Zusammensetzung der UV- Strahlung, die von Solariengeräten emittiert wird ist eine andere als die der natürlichen Sonne. Der Anteil an UV-A Strahlung ist höher und der Anteil UV-B- Strahlung ist nied-riger. UV-A-Strahlung sorgt dabei für eine grau-braune Sofort-Pigmentierung, die nur sehr kurze Zeit anhält. Erst durch UV-B-Strahlung setzt die gewünschte goldbraune Pigmentierung ein (nach 24 bis 72 Stunden), die für mehrere Tage bis Wochen erhalten bleibt. Ein Verzicht auf UV-B Strahlung in Solariengeräten würde folglich dem Bräunungsergebnis in Optik und Haltbarkeit entgegenstehen.
Hinzu kommt die konstant hohe Bestrahlungsstärke, die von Solariengeräten ausgeht.
Die sonnenbrandwirksame Stärke der Bestrahlung durch die UV-Strahler in einer Sonnenbank orientiert sich an der sogenannten Referenzsonne. Die Referenzsonne entspricht der Sonneneinstrahlung mittags am Äquator, bei wolkenlosem Himmel auf Höhe des Meeresspiegels. Der Gesetzgeber hat die sonnenbrandwirksame UV-Strahlung der Referenzsonne als Obergrenze für die zulässige sonnenbrandwirksamen Bestrahlungsstärke der Sonnenbänke genommen. Dies hat er in der UV-Schutzverordnung festgehalten. In Zahlen ausgedrückt heißt das, die Summe der sonnenbrandwirksamen UVA und UVB Strahlen in der Sonnenbank darf 0,3 W/qm nicht überschreiten. Das bedeutet: Eine Sonnenbank strahlt im UV-Bereich also genau so stark wie die Äquatorsonne. Dies entspricht einem UV-Index von 12. Für diesen Wert wird weltweit harmonisiert empfohlen sich in Innenräumen aufzuhalten.
Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation stufte sowohl die natürliche als auch die künstliche UV-Strahlung bereits 2009 in die höchste Kategorie krebserregender Faktoren ein. Zum Vergleich: UV- Strahlung steht nach dieser international gültigen Einstufung für Hautkrebs auf gleicher Stufe mit z.B. Asbest und Tabak für Lungenkrebs.
Die WHO kommt hinsichtlich der Auswirkungen von Solariengebrauch auf das Hautkrebsrisiko (2017: Infographic Sunbeds Cause Cancer, Boniol et al. 2012, Wehner et al. 2014, Wehner et al. 2012) im Gegensatz zu Herrn Prof. Kekulé zu folgenden Ergebnissen:
Das Risiko schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom) zu entwickeln, ist bei Solariumnutzer:innen im Vergleich zu Nicht-Solariumnutzer:innen erhöht. Dieses Risiko steigt durch die Anzahl der Solarienbesuche und durch eine erstmalige Benutzung von Solarien im jungen Alter.
Wer vor dem 35. Geburtstag damit beginnt, regelmäßig (1 x pro Monat/ 12 x pro Jahr), ein Solarium zu nutzen:
- erhöht das Melanom-Risiko um 60%
Mit jedem weiteren Solarienbesuch innerhalb eines Jahres:
- erhöht sich das Melanom-Risiko um 1,8%
Auch bezüglich des weißen Hautkrebses (Plattenepithelkarzinom und Basalzellkarzinom) macht die WHO Aussagen über eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos:
Wer vor dem 25. Geburtstag damit beginnt, ins Solarium zu gehen:
- erhöht das Risiko für ein Plattenepithelkarzinom um 102%
- erhöht das Risiko für ein Basalzellkarzinom um 40%
Vor diesem Hintergrund wurde auch innerhalb der Aktualisierung der S3-Leitlinie „Prävention von Hautkrebs“ unter Beteilung von 44 Fachgesellschaften die UV-Exposition durch künstliche Quellen sys-tematisch analysiert. Unter Einbezug und interessenkonfliktfreier Beurteilung der aktuellen Studienlage kommt die Leitliniengruppe zu dem Rückschluss, dass das Risiko des Auftretens von malignen Melanomen bei Solariennutzern im Vergleich zu Nicht-Solariennutzern erhöht ist und mit der Häufigkeit der Solarienbesuche ansteigt. Daher wurde die evidenzbasierte Empfehlung ausgesprochen, dass die Nutzung von Solarien vermieden werden soll, um das Risiko für die Entstehung von Hautkrebs (insbesondere des Malignen Melanoms) zu reduzieren (Onkologisches Leitlinienprogramm 2021).
Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen kommt Herr Kekulé zu folgender Aussage: „Wer empfindliche Haut hat sollte die Sonne wirklich vermeiden, aber wer weiß, dass er eigentlich Sonne ganz gut verträgt, weil er ein dunkler Hauttyp ist, der aber eben jetzt vor dem Urlaub blass ist, weil er lange eben gearbeitet hat und eben nicht mehr weg war. Da kann es schon sinnvoll sein sich hier ein bisschen vorzubräunen, damit man nicht mit der komplett ungeschützten Haut oder nicht angepassten Haut in die Sonne geht und dann eben nen Sonnenbrand riskiert und da kann durchaus ne Kombination aus Solarium und hier mal in die Sonne gehen - so ein bisschen halt - kann was bringen im Sinne einer Abhärtung oder Vorbräunung eben für die spätere Situation im Süden.“
Der Prozess der Bräunung ist ein Schutzmechanismus des Körpers, um sich vor UV-Strahlung zu schützen, sobald also die Haut bräunt, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Haut nicht ausreichend vor UV-Strahlung geschützt ist. Auf gezielte Hautbräunung ist also unbedingt zu verzichten. Dunkle Hauttypen sind der UV-Strahlung gegenüber tatsächlich etwas unempfindlicher: das heißt ihre Melaninproduktion funktioniert etwas besser, das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass dunkle Hauttypen kein Hautkrebsrisiko haben. DNA-Schäden entstehen auch bei Hauttypen III bis VI, die ebenso vom Körper beseitigt werden müssen. Auch bei diesen Hauttypen können Reparatursysteme überlastet werden oder Fehler bei der Reparatur passieren, so dass im Laufe der Jahre Hautkrebs entstehen kann.
Auch hier noch einmal der Hinweis: Einzig die Vermeidung von Sonnenbränden ist keine Garantie keinen Hautkrebs zu bekommen. Mit der Bräunung der der Haut lässt sich nur ein geringer Eigenschutz der Haut erreichen. Dieser entspricht maximal dem Lichtschutzfaktor 4-5. Zum Vergleich: für Sonnenschutzmittel gilt die Empfehlung mindestens Lichtschutzfaktor 30 zu benutzen. Der Eigenschutz der Haut ist mit 4-5 also viel zu gering, um vor DNA-Schäden zu schützen. Hinzu kommt, dass man bereits vor dem Urlaub im Süden eine hohe Schädigung des Erbgutes riskiert, um einen zu vernachlässigenden Eigenschutz der Haut zu erreichen. Eine Immunisierung durch Exposition ist für UV-Strahlung nicht zu erreichen. Von jeglicher Art von Vorbräunung raten Fachexpert:innen daher konsequent ab.
Abschließend trifft Herr Kekulé folgende Aussagen zu der Lokalisation von Melanomen: „Dann ist es tatsächlich so, dass man im Paket tatsächlich besser geschützt wird, weil der Hautkrebs, speziell der schwarze Hautkrebs auf der Haut, die sonst nicht sonnengewöhnt ist viel häufiger entsteht. Das ist bekannt, dass man den eben an den Körperstellen hat wo man normalerweise Kleidung drüber hat, also nicht im Gesicht, sondern typischerweise an den Schultern oder irgendwo anders am Körper, wo Kleidung drüber ist.“
Betrachtet man die topographische Verteilung von Melanomen, so finden sich in Studien in Litauen, Finnland und Deutschland die höchsten Inzidenzraten für das Maligne Melanom am Körperstamm bei Männern, während bei Frauen die Häufigkeit für das Maligne Melanom an den Beinen am größten ist. Diese Verteilungseigenschaft wird auch als Argument dafür herangezogen, dass Maligne Melanom eher durch intermittierende als durch chronische UV-Exposition entstehen. Der topographische Vergleich der Inzidenz lässt allerdings außer Acht, dass die zu vergleichenden Körperareale sehr unterschiedliche Körperoberflächen bzw. Melanozytenanzahlen aufweisen. Die geschätzte Körperoberfläche z. B. des Stamms beträgt 32 % der Gesamt-Körperoberfläche, während der Anteil von Gesicht inklusive Lippen und Augenlidern etwa nur 2,7 % ausmacht. Adjustiert man die Topographiespezifischen Inzidenzraten auf die betroffene Körperoberfläche (Body surface adjusted rates, RSA), so ergibt sich eine andere Deutung hinsichtlich der Prädisposition der Hautareale für das Maligne Melanom. Die höchste RSA findet sich dann bei Frauen und Männern im Gesicht, welches eher als chronisch UV-exponiert eingestuft wird (Onkologisches Leitlinienprogramm 2021).
Der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung aller Arten von Hautkrebs ist die UV-Strahlung. Hautkrebs ist mittlerweile die häufigste Krebserkrankung in Deutschland. Nach aktuellen Hochrechnungen des Krebsregisters Schleswig-Holstein erkrankten in Deutschland jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen neu daran. Diese Entwicklung wird durch klimatische Veränderungen, insbesondere durch die Erhöhung der durchschnittlichen jährlichen Sonnenscheindauer, sowie durch längere Lebenserwartungen und einer damit einhergehenden gesteigerten UV-Belastung im Lebensverlauf noch weiter verstärkt werden. Bereits in den letzten 20 Jahren sind die Fallzahlen für Hautkrebs insgesamt um etwa 70 % gestiegen, für das besonders schwerwiegende Maligne Melanom um 40 %. Es steht also zu befürchten, dass die Hautkrebszahlen noch weiter steigen werden, wenn wir es nicht schaffen das Bewusstsein für UV-Schutz in allen Lebenslagen innerhalb der Bevölkerung zu erhöhen. Wir können nicht riskieren, dass sich verharmlosende und falsche Aussagen in Bezug auf die Gefährlichkeit von UV-Strahlung, Solarienbesuchen und Vorbräunen innerhalb der Bevölkerung verbreiten und festsetzen.
Im Sinne Ihrer journalistischen und wissenschaftlich Verantwortung gegenüber der Bevölkerung bitten wir Sie demzufolge den betreffenden Beitrag von Herrn Kekulé richtigzustellen.
Mit freundlichen Grüßen Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs (NVKH) e.V.
Vertreten durch folgende Fachgesellschaften und Patientenorganisationen:
- Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) e.V.
- Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
- Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BvDD)
- Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO)
- Melanom Info Deutschland e.V.
- Hautkrebsnetzwerk Deutschland e.V.