Hautkrebs erkennen mit Hilfe von Smartphone-Apps – wie sicher geht das?

Interview mit Prof. Dr. Holger Hänßle

Wer eine Hautveränderung bei sich feststellt und einen Termin beim Hautarzt machen möchte, muss sich oft auf lange Wartezeiten einstellen. Im Zweifelsfall, wenn es sich um ein Melanom im Anfangsstadium handelt, kann wertvolle Zeit verloren gehen. Für eine schnellere Abklärung werden jetzt spezielle Online-Dienste angeboten. Wie gut sind solche Smartphone-Apps? Sind sie geeignet für eine Hautkrebs-Diagnose? Wie sicher lässt sich Hautkrebs mit Hilfe von Smartphone-Apps erkennen? In welchen Fällen nutzen sie etwas – und wo liegen die Grenzen? Wir haben nachgefragt beim Experten Prof. Dr. Holger Hänßle, der mit den ersten Studien zum Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) die erstaunlich hohe Qualität beim Erkennen von Melanomen belegen konnte.

Künstliche Intelligenz – kurz KI – hat sich rasant in der Dermato-Onkologie etabliert. Bei der Diagnose von Hauterkrankungen können KI-Anwendungen mit Mustererkennungen gute Dienste leisten. Jedenfalls in der Hand von Ärzten. Sie selbst gehören zusammen mit einem Team der Universitäts-Hautklinik Heidelberg zu den Pionieren bei der Erforschung eines auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Bilderkennungsverfahren. Nun gibt es immer mehr Anbieter von Handy-Apps. Wie sicher sind solche Handy-Apps, um Hautkrebs zu erkennen?

Prof. Hänßle: Es gibt große Unterschiede zwischen unserer, wie Sie sagten, Pionier-Studie und den Hautscreening-Apps. Bei unserer Studie haben wir ein Mikroskop auf die Haut aufgesetzt (ein sogenanntes Dermatoskop) und hoch standardisiert bei Vergrößerung und Beleuchtung die KI mithilfe von 100.000 dermatoskopischen Bildern und entsprechenden Diagnosen trainiert und validiert, um gutartige von malignen Hautläsionen zu unterscheiden. Das Ergebnis war verblüffend. Die meisten Dermatologen wurden bei der Bewertung der Läsionen vom KI-Algorithmus übertroffen. Diese hochstandardisierten Assistenzsysteme stehen uns als Ärzten auch in unserer täglichen Arbeit zur Verfügung und sind anhand ihrer Komplexität nicht mit den Apps vergleichbar. Alle gängigen Handy-Apps nutzen eine einfache Nahaufnahme von der Hautstelle für die anschließende Bewertung. Da kann man sich gut vorstellen, dass es zu ungünstigen Belichtungen oder auch Verwacklungen kommen kann. Diese Beeinträchtigungen in der Bildqualität wirken sich dann natürlich auch auf die Genauigkeit der Diagnose aus und können der Grund für Fehldiagnosen sein.

Bei einigen Apps senden Patienten Fotos der Hautveränderung ein und bekommen einige Stunden später die Einschätzung eines Arztes. Da Patienten inzwischen, wie zu lesen ist, im Schnitt 35 Tage auf einen Hautarzttermin warten, ist der Griff zum Handy verständlich, wenn man eine suspekte Hautstelle bei sich entdeckt. Allerdings hat der Service mit bis zu 25 Euro für die Einschätzung einer Hautstelle auch seinen Preis. Können Handy-Apps den Gang zum Hautarzt ersetzen?

Prof. Hänßle: Einige Apps nutzen einen KI-basierten Algorithmus, indem sie hochgeladene Fotos mit einer zuvor trainierten Bilddatenbank abgleichen und auf deren Basis eine Einschätzung geben. Deren Treffsicherheit ist allerdings nur so gut wie ihr Algorithmus. Am ehesten vergleichbar mit einem Arztbesuch sind Apps, die den Ansatz der Telemedizin verfolgen. Hier schätzen Ärzte die Hautveränderungen auf den hochgeladenen Fotos zusammen mit Textangaben ein. Diese Einschätzung ist allerdings oft mit höheren Kosten als bei den KI-basierten Algorithmen verbunden. Bei beiden Ansätzen, ob nun KI-basierte Algorithmen oder telemedizinischer Arzt, besteht das Risiko, dass Betroffene nicht die wirklich gefährlichen Hautstellen an ihrem Körper erkennen und für eine Abklärung auswählen. Beispielsweise sind Patienten oftmals durch eine dunkle Alterswarze im Blickfeld am Unterarm besorgt, während sie das gefährliche Melanom am Rücken gar nicht wahrgenommen haben. Wenn in diesen Fällen kein vollständiges Hautkrebsscreening vorgenommen wird, sondern nur eine einzelne Hautveränderung vom Patienten ausgewählt und hochgeladen wird, wird die Frühdiagnose verpasst. Apps ersetzen also keinesfalls die vollständige ärztliche Untersuchung bei der Diagnose von Hautkrebs.

Wie könnte die Arbeit des Arztes durch KI-Technologie erleichtert und verbessert werden? Wo sind die Fallstricke?

Prof. Hänßle: Wir verstehen die aktuellen KI-Technologien in der Dermatologie als Assistenzsysteme für den Arzt. Ähnlich einem Spurhalteassistent im PKW verhindern die KI-Systeme, dass sich Fehldiagnosen einschleichen. Sobald der Arzt auf verdächtige Hautveränderungen stößt, die sich aber nicht sicher diagnostisch einordnen lassen, kann er ein dermatoskopisches Bild an ein KI-System hochladen, um eine Art „Zweitmeinung“ zu erhalten. Fallstricke bei den heutigen KI-Systemen sind beispielsweise Bildartefakte wie farbliche Markierungen auf der Haut, welche zu Fehldiagnosen führen können. Eine wichtige Einschränkung sind auch Hautveränderungen bei sehr dunklen Hauttypen (Fitzpatrick V und IV). Leider stehen für diese Hauttypen weltweit nicht ausreichende Mengen an Trainingsbildern zur Verfügung, so dass die diagnostische Leistung der KI-Systeme deutlich abfällt.

Inwieweit kann der Einsatz von den genannten Handy-Apps die Qualität und Effektivität der Patientenversorgung verbessern?

Prof. Hänßle: Ein Vorteil, diese Handy-Apps zu nutzen, ist die Wartezeit auf einen Termin zu verkürzen. Dabei kann ich jetzt nicht für alle Kollegen sprechen, aber wenn sich ein Patient bei uns mit einem beunruhigenden vorläufigen Ergebnis einer Handy-App meldet (z.B. einem Hautkrebsverdacht), dann bemühen wir uns ihm einen zeitnahen Termin zu geben. Andererseits haben wir dabei auch schon erlebt, dass eine beginnende Gürtelrose mit eingebluteten Bläschen an der Haut von einer KI-basierten Technologie falsch eingeschätzt und mit einem bösartigen Tumor verwechselt wurde.

Herzlichen Dank für das Interview!

Weitere Informationen gibt es unter www.ado-homepage.de/patienten/basisinformation-hautkrebs.html

Hintergrundinformationen:

Hautkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit der größten Steigerungsrate – trotz der immensen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren auf jährlich rund 300.000 verdoppelt. Dafür werden UV-bedingte Hautschäden aufgrund intensiver Sonnenexposition in der Kindheit und Jugend mit verantwortlich gemacht. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom mit jährlich rund 140.000 Fällen, gefolgt vom kutanen Plattenepithelkarzinom mit rund 70.000 Neuerkrankungen und dem malignen Melanom mit rund 28.000 Fällen.

Die ADO – die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) – organisiert Fortbildungen, Forschungsprojekte und klinische Studien, um die Qualität der dermato-onkologischen Patientenversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verbessern und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Die Ein wichtiger Fokus liegt auf der Erarbeitung diagnostischer und therapeutischer Leitlinien zu verschiedenen Hautkrebsarten wie zum malignen Melanom, Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, Merkelzellkarzinom, Kaposi-Sarkom und zu kutanen Lymphomen. Zum Austausch neuer Erkenntnisse und zur Unterstützung der Zusammenarbeit der dermatologischen Onkologie mit benachbarten Fachgebieten wird als ADO-Jahrestagung der Deutsche Hautkrebskongress durchgeführt.

Pressekontakt:
Kerstin Aldenhoff / Katrin Franz
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Kerstin.Aldenhoff@conventus.de
Katrin.Franz@conventus.de
www.ado-kongress.de

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Prof. Dr. Holger Hänßle (Universitäts-Hautklinik Heidelberg)

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